Die BallinStadt auf der Hamburger Veddel

Von Patricia Klünder | 11. Januar 2020

Die BallinStadt, Abendansicht - @BallinStadt

Das Auswanderermuseum BallinStadt ist immer wieder einen Besuch wert. Von der Migrationsgeschichte der Menschen ab dem 16. Jahrhundert über Darstellungen aus Sicht der Aus- wie Einwanderer mit allen Hindernissen, Wünschen und Träumen bis hin zu spannenden Sonderausstellungen bietet es vor allem Schülern zwischen 9 und 16 Jahren immer wieder relevante Themen, die den Lernstoff aus dem Unterricht erlebbar machen.

Wir haben mit Volker Reimers, dem Geschäftsführer der BallinStadt über das Konzept und die aktuelle Sonderausstellung „St. Louis - Schiff der Hoffnung“ gesprochen. Werft mit uns einen Blick hinter die Kulissen und kommt mit durch einen Streifzug in die Vergangenheit und Gegenwart.

Lieber Herr Reimers, was macht die BallinStadt als Museum außergewöhnlich?

Volker Reimers: Die BallinStadt ist mehr als ein Museum bzw. kein Museum im herkömmlichen Sinne. Es stehen weniger die Artefakte und Ausstellungsstücke im Mittelpunkt, sondern das Erlebnis, in das Thema Migration mit allen Sinnen einzutauchen. Im Auswanderermuseum gehen die Gäste auf eine spannende Reise und erleben die Ein- und Auswanderungsgeschichte über vier Epochen, fast 500 Jahre, hinweg. Wir zeigen in drei Häusern auf 2.500 qm die Wünsche und Träume der Menschen, die eine neue Heimat suchten.  

Wieviele Schulklassen besuchen die BallinStadt im Durchschnitt jährlich?

Volker Reimers: Rund 20.000 SchülerInnen.

SIMMIGRANT ist ein Multimedia-Spiel, bei dem Kinder zwischen 9 und 14 Jahren selbst in die Rolle eines Auswanderers schlüpfen können. Es wurde 2019 komplett modernisiert. Wie genau funktioniert das Spiel?

Volker Reimers: Es führt spielerisch durch die Ausstellung und simuliert dabei eine ganz persönliche „Auswanderung“. Der Spieler wählt einen Charakter und muss  dann von Station zu Station Entscheidungen treffen, die die weitere „Auswanderung“ beeinflussen und erlebt so die Herausforderungen einer Reise hautnah.

Welche Vorteile bietet das Spiel für Kinder?

Volker Reimers: Sie nähern sich spielerisch mit Spaß dem Thema Migration und können eine persönliche „Auswanderung“ nachspielen. Das Spiel zeigt Kindern auf, was sich hinter einer Auswanderung verbirgt und was es für die Menschen bedeutet.

In welche Epochen können die Kinder eintauchen?

Volker Reimers: Momentan gibt es sieben Epochen in der Ausstellung. Die Epoche I zeigt die 16. -19. Jahrhunderte auf, Amerika wird entdeckt und die Zeit der Kolonialisierung beginnt. Die zweite Epoche ist die Zeit des „langen“ 19. Jahrhunderts. Kinder tauchen ein in die Ära der Auswanderung in Europa, die insbesondere viele Juden betrifft. In dieser Zeit bis zum Ersten Weltkrieg wandern zirka 55 Millionen Europäer aus. Es ist die Zeit der europäischen Abwanderung in Teile der Welt. Die Zeit der großen Kriege 1914 – 1945 läutet die dritte Epoche ein. Diese stoppt die europäische Massenmigration, Auswandern ist fast unmöglich in dieser Zeit. Bis in die 1950er bestimmen Flucht und Vertreibung das Schicksal von Millionen von Menschen. Die vierte Epoche beginnt nach 1945. Sie teilt die Welt in Ost (Kommunismus) und West (Kapitalismus, unter anderem wird auch die Teilung Berlins thematisiert). Und seit 2020 wurden diese um drei Epochen erweitert: Kinder können nun in Rollen einer jungen Auswanderin schlüpfen, auf dem Weg in die neue Welt oder einen Hippie in den 60er Jahren mimen, der nach Indien reist oder gar ein Auswanderer, der 1930 nach Kanada geht, um dort sein Glück zu finden.

Mit dem Spiel "SIMMIGRANT" werden die Kinder selbst zu Auswanderern und können in verschiedene, spannenden Epochen eintauchen, Foto: BallinStadt

Bei Sonderausstellungen: Wie lange dauert es im Durchschnitt von der Idee bis zur Eröffnung?

Volker Reimers: Im Jahr gibt es 2-3 Sonderausstellungen, die je nach Umfang der Ausstellung eine Vorlaufzeit von 2-6 Monaten haben.

Die Sonderausstellung der MS St. Louis greift die Geschichte einer Schiffsreise von jüdischen Auswanderern 1939 auf, die in der Ferne aufgrund geänderter Visa-Bestimmungen keinen neuen Heimathafen finden konnten. Vergleicht man diese Flucht mit heutigen Flüchtlingsdebatten fallen einem einige Parallelen auf. War das "Aus der Geschichte Lernen" ein Grund für diese Sonderausstellung?

Volker Reimers: Grundsätzlich ist das Thema Auswanderung aus Deutschland in der BallinStadt eng mit den Verbrechen der NS-Zeit verbunden. Viele Menschen, insbesondere Juden, mussten damals ihre Heimat verlassen. Die Geschichte der St. Louis ist dabei ein ganz besonders exemplarischer Fall, der sehr emotional ist. Natürlich liegen die Parallelen zur heutigen Zeit, auch wenn das Schicksal der Juden geschichtlich einzigartig ist, auf der Hand. Die Flüchtlinge, die zum Beispiel in Sichtweite von Lampedusa waren, mussten sich zumindest ähnlich wie die damaligen Flüchtlinge vor Kuba gefühlt haben.

Bis wann läuft diese Sonderausstellung?

Volker Reimers: Bis mindestens Mitte Februar 2020.

Für welches Schulalter empfehlen Sie diese Ausstellung?

Volker Reimers: Mit der richtigen Vorbereitung durch die Lehrkräfte oder Eltern ist es für Schüler ab 10-12 Jahren ein Thema.

"MS St. Louis - Schiff der Hoffnung" - was Besucher erwartet

In der aktuellen Sonderausstellung nimmt die BallinStadt, das Hamburger Auswanderermuseum auf der Veddel, seine Besucher mit auf die Reise ins Jahr 1939: Am 13. Mai verließ das HAPAG-Schiff „MS St. Louis“ Hamburg, um 937 Juden die Flucht vor dem NS-Regime zu ermöglichen. Das Ziel sollte Kuba sein. Dort angekommen, wurde den Auswanderern die Einreise jedoch aufgrund geänderter Visa-Bestimmungen verwehrt. Es begann eine verzweifelte Suche nach einem neuen und sicheren Heimathafen, die nach weiteren Einreiseversuchen in die USA und Kanada, am Ende doch wieder alle Passagiere nach Europa zurückbringen sollte.

Anhand von originalen Schriftstücken beschreibt die Sonderausstellung die Odyssee einer Schifffahrt, die Besatzung und Passagiere gleichermaßen hoffen und verzweifeln ließ. Sie zeigt, vor welche Probleme die Menschen von Behörden und Organisationen gestellt wurden und macht auf den Mut eines Kapitäns aufmerksam, der sich stets für seine jüdischen Flüchtlinge stark machte.

Weitere Informationen unter www.ballinstadt.de

Alle Infos für euren Besuch in der BallinStadt:

Eintrittspreise:

  • Erwachsene 13,00 €, ermäßigt 11,00 €, Kinder (5-12 Jahre) 7,00 €
  • Gruppen (ab 10 Personen) 11,00 €
  • Familienkarte (2 Erwachsene, 2 Kinder) 26,00 €

Öffnungszeiten: täglich

  • März bis Oktober: Montag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr (17:00 Uhr letzter Einlass)
  • November bis Februar: Montag bis Sonntag von 10 bis 16:30 Uhr (15:30 Uhr letzter Einlass)

Volker Reimers

Geschäftsführer der BallinStadt